Banken und Finanzdienstleister rechnen mit stabiler Ertragsentwicklung für 2022 und 2023

  • Lost in Transformation: Institute verstricken sich in Digitalprojekten
  • Nachhaltigkeit häufig auf ESG-Konformität reduziert

Was die Geschäftsentwicklung betrifft, können die Finanzinstitute derzeit nicht klagen. In der Übergangsphase zu steigenden Zinsen profitieren viele Finanzinstitutionen von Premium-Margen, weil sie die Erhöhung bereits vorlaufend an Kunden weitergeben können. Auch das Kommissions- und Provisionsgeschäft läuft gut. Selbst wenn die Zinswende die Erlöse wieder schmälert, rechnen die Institute mit einer Ertragsentwicklung von + 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für 2023 wird ein ähnlich hohes Ertragswachstum erwartet. Dies sind Ergebnisse einer Branchenbefragung der Managementberatung Horváth.

Banken und andere Finanzinstitute sind deutlich besser durch die Pandemie gekommen als erwartet und konnten im vergangenen Jahr teilweise Rekordgewinne erzielen, der Ertrag stieg im Vergleich zum Vorjahr um etwa neun Prozent. Für 2022 und 2023 erwarten die Institute immerhin noch ein Plus von jeweils fünf Prozent im Base-Case-Szenario.

„Bei diesen soliden Aussichten müssten die Banken eigentlich genug Ressourcen haben, Geschäftsmodelle und Prozesse für die Zukunft zu transformieren. Doch viele Institute stecken in der Digitalisierung fest“, konstatiert Frank Schindera, Partner und Bankenexperte bei der Managementberatung Horváth. Gefragt nach den Topherausforderungen, mit denen sich das Management derzeit beschäftigt, nennen die für die Branchenstudie befragten Vorstandsmitglieder aus Banken und anderen Finanzinstituten der Reihenfolge nach: die digitale Transformation, Digital Banking und Cyber Security. Die ganzheitliche Digitalisierung bezeichnen 79 Prozent als „sehr wichtig“, bei Digital Banking sind es 68 Prozent, Cyber Security wird von 58 Prozent als sehr wichtig bewertet. „Die Institute sind noch immer voll damit beschäftigt, Produkte sowie die gesamte Customer Experience End-to-End zu digitalisieren“, so Horváth-Experte Schindera. „Cyber Security und Cyber Resilience stehen schon seit Längerem auf der Agenda, rücken aufgrund der aktuellen Entwicklungen nun aber nochmal verstärkt in den Fokus.“

Erst an vierter Stelle folgt mit 52-prozentiger Priorität „Sustainability“ im Sinne einer nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens, seines Geschäftsmodells und Portfolios. Auf Rang fünf landet der Themenkomplex „Employee Engagement / New Work“. Anders als bei anderen Branchen hat Kostenoptimierung im Finanzsektor derzeit keine hohe Bedeutung. Nur für weniger als ein Drittel der befragten Vorstandsmitglieder hat das Thema gerade eine sehr hohe Priorität (31 Prozent).

Mehrwert von Nachhaltigkeit abseits ESG wird unterschätzt

Auf die Frage, wie weit ihr Institut auf dem Weg zu einer vollständig auf Sustainability ausgerichteten Organisation ist, müssen 42 Prozent der Befragten zugeben, dass sie noch nicht einmal ein Zielbild dafür abgesegnet haben. Von den übrigen 58 Prozent, die konkrete Ziele entwickelt haben, wird kein einziges Institut bereits vollständig entsprechend des definierten Nachhaltigkeitsmodells gesteuert. Über alle Branchen hinweg sehen sich dagegen bereits sieben Prozent der Unternehmen in diesem Reifegrad. „Dieses Ergebnis ist zwar relativiert zu betrachten, da die Finanzinstitute aufgrund komplexer Regulierungen einen besonders hohen Anspruch an sich selbst stellen“, sagt Frank Schindera. „Die Studie liefert aber auch eindeutige Indizien dafür, dass die Banken Nachhaltigkeit häufig auf die Dimension der Regulierung reduzieren und seltener ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für sich darin sehen.“

Erfolgsfaktoren für Transformationen helfen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit integriert anzugehen

Dass strategische Themen aufgrund operativer Notwendigkeiten in den Hintergrund geraten, ist dem Horváth-Experten zufolge ein normales Phänomen. Um dem entgegenzuwirken, bedarf es laut Schindera einer hohen Transformationskompetenz. Selbstkritisch benennen die befragten Topführungskräfte als größtes Hindernis ein in der Gesamtorganisation fehlendes Mindset, das Transformationen als notwendig, normal und positiv begreift – auch und gerade in Zeiten, in denen es betriebswirtschaftlich nicht schlecht läuft. An zweiter Stelle werden fehlende (finanzielle) Ressourcen für Transformationsprozesse benannt, gefolgt von fehlenden Kompetenzen.

Als größte Erfolgsfaktoren für Transformationen nennen die befragten Vorstandsmitglieder:

  1. Befähigung und Einbezug von Schlüsselpersonen im Transformationsprozess
  2.  Transformation als Leadership-Aufgabe begreifen, ein klares Zielbild der Transformationsreise vermitteln – konkrete Ziele und den Weg dorthin
  3. Weitsicht und Ausdauer, da sich Transformationen nicht unmittelbar auszahlen

„Im Idealfall werden Digitalisierung und Nachhaltigkeit nicht separat vorangetrieben, sondern integriert. Eine ganzheitlich nachhaltige Ausrichtung bedingt ohnehin einen hohen Digitalisierungsgrad. Wenn ich als Finanzdienstleister also jetzt die Weichen für neue digitale Angebote und Prozesse stelle, sollte ich mich gleichzeitig fragen, wie ich künftige Anforderungen in puncto ESG erfüllen beziehungsweise berücksichtigen kann – in einem ganzheitlichen Ansatz“, so Horváth-Partner und Bankenexperte Frank Schindera.

Über die Trendbefragung

Für die Branchenbefragung wurde eine repräsentative Auswahl an Vorstandsmitgliedern aus Banken und anderen Finanzinstituten befragt. Die Stichprobe umfasst insgesamt 63 Teilnehmende, mit denen intensive, qualitative Interviews geführt wurden. Diese fanden im Rahmen der großangelegten Horváth-Studie „CxO Priorities 2022“ statt, für die insgesamt 280 Topmanagerinnen und -manager befragt wurden. Über diesen Link gibt es den Studienreport zum Download.

Großteil der weltweiten Neobanken nicht rentabel – weniger als 5 Prozent arbeiten kostendeckend

Nur zwei von 25 der größten Neobanken der Welt sind derzeit profitabel. Laut dem Global Neobaking Radar* der Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners erzielt die Mehrheit dabei weniger als 28 Euro Jahresumsatz pro Kunde.

Fast eine Milliarde Kundenkonten zählen die Neobanken dieser Welt. Sie setzen auf digitale Kundenbeziehungen, werden gut bewertet. Inklusive der 13 Native Neobanks in Deutschland gibt es weltweit geschätzt 400 dieser Banken. Aber auch ein Jahrzehnt nach dem Start des Neobanking-Hypes ist fast keine von ihnen rentabel. Das verrät der Global Neobanking Radar von Simon-Kucher & Partners, der weltweit das Potenzial für nachhaltiges Wachstum von Neobanken bewertet.

Neugründungen nehmen ab – Etablierte Banken und Konzerne wollen mitmischen

Nur zwei von 25 der größten Neobanken arbeiten demnach kostendeckend; von den rund 400 Banken insgesamt schaffen es weniger als fünf Prozent über die Gewinnschwelle. Der Großteil erwirtschaftet pro Kunde im Jahr sogar unter 28 Euro. Entscheidend: Dieses finanzielle Dilemma betrifft auch renommierte Neobanken. Der Unternehmergeist wird dadurch aber nur leicht gebremst. Wurden 2020 noch 94 Neobanken gegründet, kamen 2021 zwar weniger, aber immerhin noch 59 neue hinzu.

Bei jeder dritten Neugründung handelt es sich dabei um sogenannte „Innovation Speedboats“ oder reine Digitalbanken, gegründet von Finanzdienstleistungskonzernen oder konventionellen Banken. Ein Trend, der sich laut Simon-Kucher weiter verstärken wird. Vor allem, da etablierte Banken nach Optionen suchen, neue Märkte und Segmente zu erreichen.

Spätestens im siebten Betriebsjahr steigt das Risiko des Scheiterns exponentiell an

Was also tun? Dieser Frage nimmt sich Simon-Kucher im parallel zum Radar veröffentlichen Report** „Die Zukunft des Neobankings: Wie können Neobanken profitables Wachstum erzielen?“ an, gibt hier nicht nur Einblicke in die Branche, sondern liefert konkrete Handlungsempfehlungen auf dem Weg zur Profitabilität.

„Der Wechsel von ‚Get Reach‘ zu ‚Get Rich‘ erfordert einen radikalen Bewusstseinswandel, der nicht einfach umzusetzen ist“, sagt Christoph Stegmeier, Senior Partner bei Simon-Kucher. „Dennoch ist es fundamental wichtig, dass Neobanken diesen Sprung schaffen, insbesondere wenn sie sich ihrem sechsten oder siebten Betriebsjahr nähern. Das Risiko des Scheiterns steigt zu diesem Zeitpunkt exponentiell an. Vor allem, wenn das Unternehmen dann noch nicht einmal die Gewinnzone erreicht hat.“

In Deutschland gibt es derzeit zwischen sieben und acht Millionen Neobanking-Kunden. Gemäß dem Ranking sind Neobanken in Deutschland im aktuellen Länder-Vergleich mit Platz 8 von 60 gut aufgestellt. „Darauf ausruhen sollten sich die heimischen Neobanken allerdings nicht“, erläutert Christoph Stegmeier. „Die Platzierung beruht auf dem vergleichsweise frühen Markteintritt der hiesigen Banken. Mittlerweile aber haben internationale Neobanken die deutschen Vertreter in Sachen Innovationsgeschwindigkeit und Ertragsstärke deutlich überflügelt.“

*Über den Simon-Kucher Global Neobanking Radar: Diese firmeneigene Datenbank trackt und bewertet Neobanken auf der ganzen Welt auf der Grundlage verschiedener Faktoren, einschließlich des Aktivitätsniveaus, der Finanzierung und der Bewertungen. Derzeit gibt es weltweit rund 400 Neobanken, die zusammen fast eine Milliarde Kundenkonten betreuen, darunter Privatpersonen sowie kleine und mittelständische Unternehmen.

**Der Report „Die Zukunft des Neobankings: Wie können Neobanken profitables Wachstum erzielen?“ ist auf Anfrage erhältlich.

Studie: Fast drei Viertel der Deutschen investieren bereits nachhaltig

Eine aktuelle Befragung der Deutschen zeigt: Nachhaltigkeit und Erträge sollen sich nicht ausschließen

Die Corona-Pandemie hat das Geldvermögen der privaten Haushalte in vielen Ländern stark ansteigen lassen – Grund war vor allem das „Zwangssparen“ während der Lockdowns. Gemäß Angaben der Deutschen Bundesbank stieg das private Geldvermögen in Deutschland im vierten Quartal 2021 gegenüber dem Vorquartal um 161 Milliarden Euro auf den Rekordwert von rund 7,618 Billionen Euro. Immer mehr Menschen engagierten sich in den vergangenen Monaten am Kapitalmarkt und setzten insbesondere auf Fonds- und Aktienanlagen. So ist für J.P. Morgan Asset Management der heutige „Earth Day“, der seit 1970 am 22. April als Aktionstag begangen wird, um das Engagement für Umwelt- und Klimaschutz zu fördern, Anlass, einen Blick auf das Investmentverhalten in Deutschland mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit zu richten. Befragt wurden dafür 1.000 Frauen und Männer aus Deutschland. Die wesentliche Erkenntnis ist: Rund drei Viertel der Befragten setzen bereits auf nachhaltige Anlagen.

Klimaschutz ist in den Depots angekommen

Die Frage, ob sie ihre Anlagestrategie aufgrund des Klimawandels angepasst hätten, verneinten nur 24 Prozent der Befragten – 73 Prozent der Befragten haben bereits begonnen, das Thema Nachhaltigkeit in ihren Portfolios zu verankern: So gab mit 33 Prozent ein Drittel der Deutschen an, rund die Hälfte ihrer Investments seien nachhaltig. Bei 21 Prozent der Befragten ist eigenen Angaben zufolge bereits ein großer Teil ihrer Investments nachhaltig angelegt und 9 Prozent sagten sogar, dass alle ihre Investments nachhaltig seien. Weitere 10 Prozent haben zudem damit begonnen, ihre Investments an den Klimawandel anzupassen. 3 Prozent der Befragten machten keine Angaben.

Nachhaltigkeit und Erträge sollen sich nicht ausschließen

Des Weiteren wurden die Deutschen befragt, ob ihnen Ertrag oder Nachhaltigkeit bei ihren Investments wichtiger ist: 38 Prozent der Befragten wünschen sich ein ausgewogenes Verhältnis aus Ertrag und Nachhaltigkeit. Bei den befragten Frauen ist dieser Wunsch mit 41 Prozent noch etwas stärker ausgeprägt als bei den Männern (35 Prozent). Doch ebenfalls 38 Prozent der Befragten ist explizit Nachhaltigkeit „etwas wichtiger“ oder „wichtiger“ – hier liegen die Männer mit 39 Prozent vor den Frauen mit 36 Prozent. Mit 24 Prozent sind wieder einem Viertel der Befragten Erträge „etwas wichtiger“ oder „wichtiger“, wobei wiederum die Männer mit 27 Prozent vor den Frauen mit 23 Prozent liegen.

„Diese Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass immer mehr Deutsche mit ihrem Geld nicht nur ertragsseitig gut abschneiden, sondern auch etwas Gutes bewirken wollen“, betont Holger Schröm, Executive Director bei J.P. Morgan Asset Management.

Sinnvolle Ansätze sind positive Ausrichtung, Engagement der Investoren und Impact Investing

Heute gibt es immer mehr nachhaltige Investmentangebote – welche finden die Deutschen am sinnvollsten für ihre nachhaltige Geldanlage? Den größten Zuspruch haben laut der Befragung, bei der mehrere Antworten möglich waren, Strategien, die Unternehmen mit positiven nachhaltigen Merkmalen unterstützen – ein solcher Investmentansatz mit „positiver Ausrichtung“ wird von 33 Prozent der Befragten befürwortet. Dass Fondsgesellschaften aktiv Einfluss auf die Unternehmen nehmen, indem sie Umwelt- und soziale Themen ansprechen und fördern (auch „Investment Stewardship“ genannt) und dies durch die Ausübung ihrer Stimmrechte unterstützen, finden 30 Prozent der Befragten wichtig. An dritter Stelle folgen gezielte Investitionen zur Lösung sozialer oder ökologischer Probleme: „Impact Investing“ halten 29 Prozent der Befragten in Deutschland für sinnvoll.

Es folgen „thematische“ Investmentstrategien mit klar definierten nachhaltigen Themen oder speziellem Nachhaltigkeitsbezug, bei denen ein bestimmtes umwelt- oder sozialverträgliches Ergebnis angestrebt wird (25 Prozent) sowie „Best-in-Class“-Ansätze, die nur in Unternehmen investieren, die in ihren jeweiligen Nachhaltigkeitsaktivitäten in ihrer Branche führend sind (23 Prozent). Am wenigsten sinnvoll fanden die Befragten nachhaltige Investmentansätze nur auf Basis von Ausschlüssen solcher Unternehmen, die nicht nachhaltig sind (17 Prozent). Lediglich 6 Prozent der Befragten gaben an, gar keinen dieser Investmentansätze für sinnvoll zu halten. „Es zeigt sich, dass sich die Deutschen schon eine Meinung gebildet haben, wie sie ihre nachhaltigen Investments umgesetzt haben möchten. Es geht demnach nicht nur darum, ESG-Risiken zu minimieren, sondern eine nachhaltige Zukunft gestalten zu wollen“, führt Holger Schröm aus. Während die befragten Frauen übrigens etwas stärker auf Strategien mit positiver Ausrichtung und auf thematische Ansätze setzen, mit jeweils drei Prozentpunkten Vorsprung vor den Männern, ist der Anteil der männlichen Befragten, die Ausschlüsse für sinnvoll erachten, etwas höher.

Banken verdienen mit Wohlhabenden immer weniger Geld

  • Kontinuierlicher Ergebnisrückgang trotz Wachstum der betreuten Vermögen
  • Angemessenes Pricing als größte Hürde für positive Trendwende
zeb Private Banking Study 2020; Quelle zeb

Deutschlands Private-Banking-Anbieter verdienen mit ihren wohlhabenden Kunden in den Geschäftsfeldern Private Banking und Wealth Management immer weniger Geld. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Strategie- und Managementberatung zeb. So ist das Ergebnis von zehn beispielhaften deutschen Privatbanken in diesen Segmenten in den letzten fünf Jahren um durchschnittlich 7,4 Prozent jährlich von 221 Millionen Euro (2015) auf 162 Millionen Euro (2019) gesunken. Gleichzeitig sind die betreuten Vermögen (Assets unter Management) um ca. 12,4% jährlich von 193 Milliarden Euro (2015) auf zuletzt 308 Milliarden Euro (2019) gestiegen. Die Gewinnmarge fiel in diesem Zeitraum von 11 auf 5 Basispunkte. Deutschland bildet damit das Schlusslicht im Vergleich zu Instituten in Österreich und der Schweiz, wo die Anbieter ihre Gewinnmargen zwischen 2015 und 2019 von durchschnittlich 16 auf 22 Basispunkte zu steigern vermochten.

Studienautor und zeb-Partner Axel Sarnitz führt aus: „Der Private-Banking-Markt in Deutschland konnte den starken Zufluss von Kundenvermögen in den vergangenen Jahren nicht in Erträge ummünzen. Die größte Herausforderung besteht jetzt darin, im intensiven Wettbewerb mit anderen Anbietern angemessene Preise durchzusetzen und die Erträge zu steigern. Rigorose Kostensenkungen wären eine mögliche Alternative. Allerdings sind anspruchsvolle Kunden angesichts komplexer Anlageszenarien durchaus bereit, für erkannten Mehrwert mehr zu zahlen. Das sollten die Institute nutzen und eine umfassende, hochwertige Betreuung durch bestens ausgebildete Berater anbieten.“

Für die Studie hat zeb, spezialisiert auf die Beratung der europäischen Finanz- und Versicherungswirtschaft, den Private-Banking-Markt in Deutschland aktuell zum vierten Mal unter die Lupe genommen und dafür beispielhaft zehn traditionelle Privatbanken mit einem Volumen von 308 Milliarden Euro Assets under Management (AuM) analysiert. Dies entspricht etwa einem Viertel des deutschen Gesamtmarktes. Bei den Banken handelt es sich um eigenständige Häuser sowie Institute, die zu großen Banken oder Bankengruppen gehören. Ergänzt wurde die Analyse durch Gespräche mit Entscheidungsträgern sowie um zeb-Endkundeninterviews. Das untersuchte Segment Wealth-Management umfasste Kunden mit liquiden Vermögen von mehr als 3 Millionen Euro (68.700 Haushalte), das Segment Private-Banking Kunden mit liquiden Vermögen von 500.000 bis 3.000.000 Millionen Euro (582.000 Haushalte).

Wie Private-Banking Anbieter Digitalisierung verstehen

Im Detail ergab die vierte Private Banking Study von zeb, dass viele Anbieter die digitale Transformation überwiegend mit Prozessautomatisierung oder digitalen Tools in Verbindung bringen. Digitalisierung erfasst aber mehr, wie etwa die Förderung des kulturellen Wandels oder die Stärkung digitaler Skills bei Mitarbeitern. Zudem lassen sich bereits erprobte digitale Konzepte aus dem Retail-Banking nicht 1:1 übertragen. Die Studie zeigte, ein zukunftsfähiges Private Banking benötigt eigenständige digitale Ansätze, die das Geschäftsmodell weitaus mehr auf die besonders vermögende Kundenzielgruppe zuschneiden.

Frühzeitig auf die Erben zugehen

In den zehn Jahren zwischen 2015 und 2024 werden Deutsche 1,4 Billionen Euro Geldvermögen vererben. Hier liegt ein großes Potenzial für deutsche Private-Banking-Anbieter. Die Anforderungen der Erben unterscheiden sich allerdings stark von denen der älteren Generation. Die Jüngeren erwarten vor allem digitale Nähe, persönliche Kontakte treten in den Hintergrund. Für viele Private-Banking-Anbieter bedeutet dies eine große Herausforderung. Vor diesem Hintergrund zeigte die Studie z.B., dass es am zielführendsten ist, möglichst früh auf die Erben zuzugehen und dadurch einen erfolgreichen Vermögensübergang zu ermöglichen.

Preise für eigene Dienstleistungen angemessen setzen

Die aktuelle Untersuchung bestätigte zudem, dass die Zahlungsbereitschaft der Private-Banking-Kunden ungebrochen hoch ist. Ihnen geht es um eine gute, vertrauensvolle und offene Beziehung zu ihrem Berater sowie den Ausbau des eigenen Netzwerks. Berater sollten sich vor Augen führen, dass Private-Banking-Kunden oft Unternehmer sind. Gerade sie wissen, dass eine gute Leistung einen entsprechenden Preis erfordert – ein zu geringer Preis kann ggf. sogar negativ wirken. Wird der Kunde hier intelligent abgeholt, ließe sich die Ergebnismarge nach Ansicht der Studienautoren mittelfristig um 8 bis 10 Basispunkte steigern.

Wertpapiere sind nicht das Maß aller Dinge

Traditionell fokussieren die deutschen Privatbanken stark auf Wertpapieranlagen. Aktuell liegt die durchschnittliche Performance aktiver Fonds von den in der Studie untersuchten Instituten mit jährlich 0,3 Prozent unter der Benchmark globaler und europäischer ETFs (3,1 Prozent pro Jahr). Gleiches gilt für die Kosten mit 1,7 Prozent jährlich im Verhältnis zur erzielten Rendite. Private-Banking-Anbieter können hier ansetzen und ihr Asset Management relativ schnell mit gezielten Maßnahmen optimieren, um wettbewerbsfähiger zu werden.

Studienautorin Kathrin Nadenau ergänzt: „Geldanlagen spielen eher eine untergeordnete Rolle für Private-Banking-Kunden, da sie im Durchschnitt gerade einmal 15 Prozent des Bruttovermögens betreffen. Es lohnt sich, das Blickfeld zu erweitern, etwa auf Immobilien, da diese im Schnitt 43 Prozent des Vermögens von Private-Banking-Kunden ausmachen.“

Trend zur Nachhaltigkeit aufgreifen

In den letzten Jahren ist das Volumen nachhaltiger Fonds im EU-Schnitt jährlich um 12 Prozent gestiegen. Zu den Käufern nachhaltiger Geldanlagen zählen sowohl professionelle Anleger, als auch Privatkunden. Hier können Private-Banking-Anbieter mit fundierter Beratung ansetzen. Darüber hinaus eignen sich ESG-Investments, um sich vom Mitwettbewerb abzusetzen. Insgesamt bietet gerade diese Nische ein hohes Ertragspotenzial, da viele vermögende Kunden bereit sind, für anspruchsvolle ESG-Produkte ganz bewusst mehr zu zahlen.

Studienautor und zeb-Senior Manager Markus Bräckle bemerkt abschließend: „Veränderte Rahmenbedingungen durch COVID-19 bieten Private-Banking-Anbietern die Möglichkeit, noch enger auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Sie sollten diese Chance nutzen und den Prozess der strategischen Positionierung im Segment der vermögenden Bankkunden mit einem Bündel konkreter Maßnahmen anstoßen.“

Studie: Retailbanking in Zeiten von COVID-19 – Marktdruck bewältigen, Transformation beschleunigen

Weiterhin rückläufige Gesamterträge erhöhen den Druck – Wettbewerb an der Kundenschnittstelle weiter intensiviert – Effizienzzwänge und Kundenverhalten treiben digitale und nachhaltige Transformation

zeb.Privatkundenstudie 2020 (Quelle zeb)

zeb, Berater der europäischen Finanzindustrie für Strategie- und Managementfragen, hat im Herbst 2020 zum 20. Mal den wirtschaftlichen Zustand und die Entwicklungen im deutschen Privatkundengeschäft analysiert und daraus Implikationen für die Branche abgeleitet. Danach sanken die Retailbanking-Ertragspotenziale mit deutschen Privatkunden im Jahr 2019 auf 49,3 Mrd. Euro (-2 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und werden im Jahr 2020 weiter auf voraussichtlich ca. 47 Mrd. Euro sinken. Dies entspricht einem Rückgang von 4,9 Prozent im Vorjahresvergleich und liegt rund 16 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2010. Damit wirkt sich die Coronapandemie deutlich auf die Ertragssituation aus. Zu erkennen sind vor allem kurzfristige Rückschläge in der Konsumentenfinanzierung sowie ein durch die Kapitalmarktschwankungen im Frühjahr ausgelöstes Zwischenhoch im Anlagegeschäft, im Speziellen getrieben durch gestiegene Wertpapierumsätze.

Die Erträge aus dem Einlagengeschäft haben sich aufgrund des durch die Null- bzw. Negativzinsphase induzierten Margendrucks gegenüber 2010 mittlerweile fast aufgelöst. Gegenläufig und damit positiv entwickelten sich die Erträge im Kreditgeschäft. Hier erwirtschaften die Banken mit Privatkunden heute mit 22,6 Mrd. Euro nahezu die Hälfte des Gesamtertrags und etwa 28 Prozent mehr als zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts.

Bedrohung im Daily Banking durch digitale Angebote

Im Kreditgeschäft enthalten ist das private Konsumkreditgeschäft (inklusive Dispo), das gegenüber 2010 um 14 Prozent gestiegen ist und heute mehr als 25 Prozent der Privatkundengeschäftserträge ausmacht. Dennoch adressieren viele klassische Marktteilnehmer dieses Geschäftsfeld nicht in dem Maße wie andere Geschäftszweige. Sie halten noch den strategisch wichtigen Kundenzugang im Daily Banking, der durch digitale Kundenlösungen und PSD2 von neuen Wettbewerberkategorien zunehmend ins Visier genommen wird. Da derzeit mehr als die Hälfte des Privatkreditgeschäfts über klassische Vertriebskanäle jenseits von POS oder Onlinemarktplätzen abgesetzt wird, ist der Zugang zum Kunden aus dem täglichen Banking eine gute Plattform zum Ausbau des Konsumkreditgeschäfts, sowohl beim originären Neugeschäft als auch in der Umschuldung.

Insbesondere etablierte Wettbewerber profitieren von der positiven Entwicklung bei den Girokontoerträgen. Hier verdienen Banken zurzeit ca. 7 Mrd. Euro und damit rund 2 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2010. Dabei hat insbesondere der Marktdruck durch Angebote von Konten ohne Monatsgrundgebühr seitens etablierter Wettbewerber nachgelassen. Diese vermeintlich komfortable Situation im Daily Banking darf nicht über die Bedrohung hinwegtäuschen, die von der Schnelligkeit der Entwicklung digitaler Angebote ausgeht. „Der Zugang zum Kunden geht nicht mehr allein vom Girokonto aus und ist von strategischer Bedeutung gerade für etablierte Player – ihn zu verlieren, wäre im Retailbanking existenzbedrohend. Der Wettbewerb um den Kundenzugang kommt in den nächsten Jahren in die entscheidende Phase“, stellt Ulrich Hoyer, zeb-Partner, fest.

Baufinanzierung als Treiber

Zentraler Bestandteil in der Vermögensplanung und -bildung privater Haushalte ist die eigene Immobilie und damit die Baufinanzierung, deren Ertragspotenzial in den vergangenen fünf Jahren um über 25 Prozent angewachsen ist. In einem Markt, der generell durch steigende Immobilienpreise gekennzeichnet ist, gelang es den Banken, ihre Neugeschäftsmargen wieder auszuweiten und damit gegenläufige Entwicklungen wie z. B. steigende Anteile an Eigenkapital zu kompensieren. Absehbare Veränderungen in der Kanalnutzung, steigende Kundenanforderungen und deutliche Effizienzsteigerungen führen jedoch auch in diesem Geschäftszweig zu erhöhtem Konkurrenzdruck und lassen nicht unerhebliche Verschiebungen bei der Erschließung der aktuell ca. 9 Mrd. Euro Potenzialerträge erwarten.

Ergebnis mit Privatkunden in Deutschland sinkt weiter

Die dargestellte Stagnation der Ertragsbasis resultierte 2019 in einer „schwarzen Null“ als Branchenergebnis gegenüber noch ca. 2 Mrd. Euro im Jahr 2018 und wird Corona-bedingt in diesem Jahr erstmals zu einem Branchenverlust von voraussichtlich fast 3 Mrd. Euro führen. Die Stagnation der Gesamterträge in den kommenden Jahren bei rund 47 Mrd. Euro, die durch den Geschäftsmix im Privatkundengeschäft mit den negativen Margen im Einlagengeschäft getrieben ist, begleitet von einer tendenziell leichten Normalisierung der Risikokosten und ohne weitere Verbesserungen der Kostenbasis, resultiert in einem Fünfjahresszenario in substanziellen Verlusten: Ohne wirksame Gegenmaßnahmen dürfte das Ergebnis im deutschen Privatkundengeschäft in den nächsten fünf Jahren auf dann ca. -5 bis -7 Mrd. Euro sinken.

Vereinzelte Lichtblicke

In diesem Marktumfeld müssen Banken neben den notwendigen Kostenprogrammen ihre geschäftlichen Anstrengungen in wachsenden Geschäftsfelder intensivieren und sich auf einen weiter verschärften Wettbewerb einstellen. „Wir sehen zunehmend das Bedürfnis nach differenzierten Programmen, welche die Chancen der Digitalisierung aufgreifen und sowohl Effizienzverbesserungen als auch ertragssteigernde neue Vertriebschancen adressieren.“, so Dr. Marc Buermeyer, zeb-Partner und Leiter der Retailbanking-Praxisgruppe.

Ein Beispiel, das sowohl auf Ertrags- als auch auf Kostenhebel einzahlt, ist Banking über das Smartphone. Es ist zu erwarten, dass sich Mobile Banking zum primären Kundenkontaktpunkt weiterentwickeln und damit auch perspektivisch zu einem noch bedeutenderen Vertriebskanal im Retailbanking werden wird. Allerdings lassen sich Ertragspotenziale nur mit überzeugenden mobilen Lösungen heben, deren einfache und bequeme Anwendungsmöglichkeiten überzeugen und die künftig weitere Mehrwertangebote enthalten. Die stärkere Ausrichtung auf Kundenbedarfe eröffnet zudem Geschäftsopportunitäten in Ökosystemen, die über klassische Bankprodukte hinausgehen – allerdings in der Regel von erheblichen Veränderungen im Geschäftsmodell und substanziellen Technologieinvestitionen abhängen. Währenddessen erlaubt eine konsequente Verlagerung von Kundenservice-Interaktionen und deren zumindest teilweise Automatisierung deutliche Kosteneinsparungen in der traditionellen Vertriebsinfrastruktur. Wenn es gut gemacht wird, dann ohne Verlust der Kundennähe.

Darüber hinaus wird das konsequente Aufgreifen des Megatrends Nachhaltigkeit auch im Retailbanking Möglichkeiten für Ertragssteigerungen eröffnen. Die erhöhte Affinität der Bevölkerung für Nachhaltigkeit schlägt sich nicht nur im Alltag, sondern auch bei den Finanzen nieder und führt sowohl zu einer verstärkten Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Services als auch zu einer erhöhten Preisbereitschaft hierfür. Mittelfristig sind hier zusätzliche Ertragsmöglichkeiten von ca. 1,6 Mrd. Euro im Privatkundengeschäft zu erwarten.

Deutliche Veränderungsdynamik

Durch die Coronakrise ist die letzte Illusion verflogen, die Niedrigzinsphase ohne fundamentale Kurskorrekturen abwenden zu können. Gleichzeitig sind Veränderungsverständnis und -bereitschaft auf Kundenseite gegenüber neuen digitalen Kundeninteraktionswegen deutlich gestiegen. Das Resultat ist eine breit angewachsene Dynamik in der Anpassung der Privatkundengeschäftsmodelle. Banken müssen den Marktdruck konsequent bewältigen und die Transformation in digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle beschleunigen.

Bankenstudie: Effizienzdruck auf Europas Banken hat sich weiter verschärft

Die Covid-19-Krise hat das ohnehin schon schwierige Marktumfeld Europas Banken im ersten Halbjahr 2020 noch weiter verschärft. Der Druck auf die Kreditinstitute, die dringend notwendige Effizienzsteigerung voranzutreiben, erhöhte sich dadurch deutlich und zwingt auch deutsche Banken zu milliardenschweren Einsparungen. Das zeigt die aktuelle Bankenstudie der Management- und Technologieberatung BearingPoint.

Infografik „Effizienzdruck auf Europas Banken hat sich weiter verschärft“
Quelle: BearingPoint

Die europäischen Banken stehen durch die Covid-19 Krise unter einem enormen Markt- und Transformationsdruck. Insbesondere die Ertragslage hat sich durchgängig verschlechtert und die Zuführung der Risikovorsorge ist bei europäischen Banken um das Dreifache gestiegen. In Deutschland sogar um das Vierfache, wie die neue Bankenstudie der Management- und Technologieberatung BearingPoint zeigt, in der insgesamt knapp 113 Banken aus Europa analysiert und bewertet wurden.

Anstieg der Bilanzsumme europaweit bei über 10 Prozent

Die Studie zeigt, dass die Banken in Europa mit einer Bilanzsumme von mehr als 150 Mrd. Euro einen deutlichen Anstieg der Bilanzsumme im ersten Halbjahr 2020 von über 10 Prozent verzeichnen. Vor allem in Frankreich und Deutschland konnte ein kräftiger Zuwachs von 19,3 Prozent bzw. knapp 10 Prozent festgestellt werden. Dies basiert einerseits auf einem Anstieg des Kreditvolumens von vier bis fünf Prozent und ist andererseits auf erhöhte Cash-/Liquiditätsreserven zurückzuführen.

Zuführung der Risikovorsorge in Deutschland um das Vierfache gestiegen

Bereits vor der Covid-19 Krise hatten die Banken häufig Probleme, mit ihrem Geschäftsmodell nachhaltig profitabel in dem herausfordernden Marktumfeld zu agieren. Die Halbjahresergebnisse nahezu aller europäischen Institute werden laut der Studie durch die drastisch gestiegenen Risikovorsorgen dominiert. So ist die Zuführung zur Risikovorsorge bei den von BearingPoint analysierten europäischen Banken um das Dreifache gestiegen. In Deutschland sogar um das Vierfache.

Große und mittlere Banken in Europa tragen die Hauptlast aus dem Anstieg der Risikovorsorge

Gerade bei den großen und mittleren Banken sind deutliche Steigerungen der Zuführungen zur Risikovorsorge von 200 Prozent bzw. 400 Prozent zu beobachten, was laut Studie unter anderem durch die Kundenstruktur und den Fokus auf Unternehmenskunden erklärbar ist. Damit tragen diese beiden Größenklassen den Hauptteil der zusätzlichen Last.

Zahl der notleidenden Kredite in den Bilanzen auf hohem Niveau, aber Krisenniveau 2009 aktuell noch nicht erreicht

Europa ist im Zuge der Covid-19 Krise in eine Rezession gefallen, wodurch die Gefahr nicht bedienter Kredite stark angestiegen ist. Die Verschlechterung der Rahmenbedingungen durch die Corona-Krise hat, so BearingPoint, zu einer erheblichen Herabstufung der Kundenbonität und Gefährdung der Liquidität in einigen Branchen geführt. Zwar sind diese Negativeffekte laut Studie durch schnelle Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene erheblich abgemildert worden, doch im weiteren Verlauf der Krise sei davon auszugehen, dass eine Verschärfung der Probleme in der Realwirtschaft zu einer weiteren erheblichen Belastung der Profitabilität und Stabilität der Banken führen werde. BearingPoint zeigt in seiner Studie, dass zum Ende des 2. Quartals 2020 beispielsweise 36 der größten europäischen Banken rund 317 Milliarden Euro notleidende Kredite in ihren Bilanzen hatten. Zwar zeigt der Vergleich zum Wert von 444 Milliarden Euro während der Finanzkrise 2009, dass die Situation zumindest vorerst noch nicht das Krisenniveau von damals erreicht hat. Doch durch die derzeitigen staatlichen Maßnahmen sei das gesamte Ausmaß der Pandemie noch nicht in den Zahlen der Banken abzulesen. Mit Nachholeffekten in den nächsten Quartalen sei aber zu rechnen, warnt BearingPoint.

Frank Hofele, Partner bei BearingPoint: „Wir müssen davon ausgehen, dass sich durch die andauernde Krise die Probleme in der Realwirtschaft noch verschärfen und dies zu einer weiteren erheblichen Belastung der Profitabilität und Stabilität der Banken führen wird. Daher sind die Banken gut beraten, in Sachen Kosteneffizienz nicht nur konsequent, sondern auch schnell zu handeln, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen.“ Hofele zieht einen Vergleich zur Automobilindustrie: „Die Banken müssen dringend ihre Geschäftsmodelle straffen und die Fertigungstiefe verringern. Im Vergleich zu den Autobauern mit ihrer effizienten Zulieferindustrie haben die Banken rund ein Jahrzehnt Rückstand. Eine Möglichkeit wäre, nicht wettbewerbsentscheidende Produkte und Prozesse in Servicegesellschaften auszulagern, die von mehreren Banken genutzt werden.“

Schlechte Ertragslage im ersten Halbjahr 2020

Trotz des gestiegenen Kreditvolumens in fast allen Regionen im 1. Halbjahr 2020, hat sich laut Studie auch die Ertragslage im europäischen Markt durchgängig verschlechtert. So sind laut Studie beispielsweise in Deutschland die Zins- und Provisionsmargen im ersten Halbjahr 2020 nochmals weiter von 0,87 Prozent auf 0,79 Prozent (Zinsmarge) und von 0,49 Prozent auf 0,45 Prozent (Provisionsmarge) gefallen. Dazu kommt noch, dass sich auch die Cost-Income Ratio (CIR) im gesamten europäischen Markt im ersten Halbjahr 2020 wieder verschlechtert hat. Die Analyse von BearingPoint zeigt, dass striktes Sparen nicht zu einer nachhaltig besseren CIR führt. Die Banken, die mit gezielten strategischen Investitionen agieren und zudem eine Fokussierung auf das Geschäftsmodell haben, können dagegen eine signifikant bessere CIR aufweisen. Die bereits angegangenen Initiativen zum Ausbau digitaler Services und Produkte reichen laut BearingPoint allein nicht aus, um die notwendigen Ertragssteigerungen zu generieren und dem Druck der Wettbewerber und der Regulatoren standzuhalten.

Thomas Steiner, globaler Leiter Banking & Capital Markets bei BearingPoint: „Falls sich die Ertragslage in den kommenden Jahren nicht deutlich verbessert, muss die deutsche Bankenlandschaft etwa 25 Prozent ihrer Betriebskosten einsparen, um eine durchschnittliche CIR von 55 Prozent zu erreichen. Diese Cost-Income Ratio gilt als notwendige Voraussetzung, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Hochgerechnet heißt das: Deutsche Banken müssten mittelfristig 20 bis 25 Milliarden Euro nachhaltig einsparen, um eine wettbewerbsfähige Kostenstruktur zu erreichen. Damit sie in diesem Spannungsfeld langfristig erfolgreich sein können, müssen sich die Banken auf drei zentrale Handlungsfelder fokussieren: Effizienz, Erschließung neuer Wachstumsfelder und Nachhaltigkeit bilden aus unserer Sicht den Kern der zukünftigen strategischen Ausrichtung der Banken. Hierzu gehört zum Beispiel auch die durch den European Green Deal sehr bedeutsam gewordene Verbindung aus IoT, Banking und Sustainable Finance.“

Über die Studie

Die vorliegende Studie und deren Ergebnisse basieren auf der Analyse der Jahresabschlüsse seit 2013 von 113 europäischen Banken, die von der EZB beaufsichtigt werden. Die Stichprobe umfasst circa 70 Prozent der von der EZB und den nicht-EU Zentralbanken ausgewiesenen aggregierten Bilanzsummen des europäischen Bankensektors. Des Weiteren liegen der diesjährigen Studie zudem die Daten von 86 Halbjahresabschlüssen der Jahre 2020 und 2019 zugrunde, um erste Analysen und Schlussfolgerungen zu den kurzfristigen Effekten der Covid-19 Krise auf die europäischen Banken zu untermauern.

Nachhaltigkeit verändert das Bankgeschäft dauerhaft

  • Zielgruppe nachhaltigkeitsaffiner Bankkunden seit 2014 um 300% gewachsen
  •  1,6 Mrd. Euro Zusatzpotenzial im Markt
  • Nachhaltigkeit rückt in den Fokus der Regulatorik

Nachhaltigkeit verändert das Bankgeschäft dauerhaft

Das Thema Nachhaltigkeit beeinflusst zunehmend das Konsumentenverhalten und entwickelt sich auch im Bankgeschäft zu einem zentralen Treiber für die Transformation der Kreditwirtschaft. Die Banken haben das grundsätzlich erkannt. Dennoch ist die Mehrzahl noch weit davon entfernt, attraktiv für diese anspruchsvolle Klientel zu werden – währenddessen fast zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland Nachhaltigkeit als grundsätzlich relevant für ihr Lebensumfeld ansieht. 9% dieser Gruppe definieren Nachhaltigkeit sogar als hoch relevant für Entscheidungen rund um das Thema Finanzen. Insgesamt ist die Gruppe der nachhaltigkeitsaffinen Bankkunden in Deutschland seit dem Jahr2014 um fast 300% gewachsen und damit in der Breite der Bevölkerung angekommen.

Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Nachhaltigkeitsstudie von zeb. Die Strategie- und Managementberatung, fokussiert auf die europäische Financial Services Industrie, hat Mitte 2020 zum zweiten Mal nach 2014 untersucht, wie sich das Bankgeschäft durch den Megatrend Nachhaltigkeit verändert, welche transformativen Prozesse das bei den Finanzinstituten auslöst und welche Ertragspotenziale entstehen.

Ulrich Hoyer, zeb-Partner und Mitautor der Studie, führt aus: „Nachhaltigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und Banken haben das erkannt. Um die Zusatzpotenziale zu nutzen, müssen sich die meisten Kreditinstitute allerdings noch erheblich strecken. Gefragt sind unter anderem Tools zum Messen und Managen differenzierter Kreditrisiken. Allerdings ist Nachhaltigkeit ein ganzheitliches Thema und betrifft die gesamte Wertschöpfungskette, bei dem die begleitenden regulatorischen Hürden weiter zunehmen werden. Profitieren vom Megatrend Nachhaltigkeit werden vor allem jene Institute, die eine klare, glaubwürdige Positionierung sowie eine individuelle, nachvollziehbare Agenda vorweisen.“

Die zeb-Nachhaltigkeitsstudie 2020 ergab zudem, dass nachhaltigkeitsaffine Kunden deutlich zufriedener mit ihrer Hausbank sind als andere Kundengruppen. Außerdem sind sie hochgradig wechselbereit, wenn ihre Bank diese Nachhaltigkeitsansprüche nicht sicherstellt. Grundsätzlich wünschen sich zwei Drittel der Personen, die im Rahmen der Studie befragt wurden, eine deutliche Weiterentwicklung der eigenen Hausbank in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Die Studienautoren konnten zugleich zeigen, dass nachhaltigkeitsaffine Kunden durchaus willens sind, mehr für nachhaltig orientiertes Banking zu zahlen. Sieerrechneten auf Basis der jährlich bestehenden Erträge bei Einbeziehung dieser Zielgruppe zusätzliche Ertragschancen von ca. 820 Mio. Euro. Insgesamt sind im Privatkundengeschäft etwa zwei Drittel der ca. 50 Mrd. Euro Erträge im Jahr durch Nachhaltigkeit tangiert bei einem Zusatzpotenzial im Markt von zusammen ca. 1,6 Mrd. Euro.

Parallel müssen in den nächsten Jahren deutlich steigende regulatorische Rahmenbedingungen bewältigt werden, die nahezu alle Handlungsfelder der Banken betreffen. Vor diesem Hintergrund fordern die Studienautoren die konsequente Integration aller Aspekte von Nachhaltigkeit in die Banksteuerung sowie ein ganzheitliches Agieren, um der wachsenden Zielgruppe sowie den gesteigerten Kundenerwartungen tatsächlich gerecht zu werden. Die neuartigen Kreditrisiken müssen im Rahmen der erweiterten Umwelt- und Sozialorientierung aktiv gemanagt werden, sonst können die zusätzliche Ertragspotenziale nicht dauerhaft gehoben werden.

Jens-Uwe Holthaus, zeb-Senior Manager und Mitautor der Studie, bemerkt abschließend: „Fokussieren Banken das Thema Nachhaltigkeit umfassend, können sie vom hohen Potenzial deutscher Privatkunden in diesem Sektor profitieren. Noch allerdings sind die Wettbewerbsprofile der großen Banken und Bankengruppen nicht ausgeprägt genug, um Kunden systematisch zu gewinnen und zu binden. Sie besitzen jedoch gute Chancen, wenn es ihnen gelingt, die Wechselbereitschaft dieser kritischen Kunden für sich zu nutzen und diese an sich zu binden.“

 

Immobilienfinanzierung – Banken im Häuserkampf (Infografik)

Die gewerbliche Immobilienfinanzierung war lange auf Rekordkurs. Doch die Corona-Pandemie könnte das nun ändern.

  • Trotz harten Wettbewerbs und niedriger Zinsen stiegen die Erträge 2019 auf 14,9 und die Gewinne auf 4,6 Milliarden Euro.
  • Bislang kompensierten steigende Volumina die rückläufigen Margen bei der Immobilienfinanzierung.
  • Die zu erwartende Rezession infolge der Corona-Pandemie wird nun jedoch eine Trendwende herbeiführen.
  • Acht Stellhebel helfen Kreditinstituten, ihr Geschäft zu sichern und ihre Position im Wettbewerb zu verbessern.

Erträge von knapp 15 Milliarden Euro und ein Profitpool von gut 4,5 Milliarden Euro – die gewerbliche Immobilienfinanzierung war lange auf Erfolgskurs. Und die Rekordjagd hätte noch weitergehen können. Ohne die Corona-Pandemie und die dadurch zu erwartende Rezession wären die Erträge nach einer Bain-Prognose bis 2021 noch einmal um etwa 600 Millionen Euro auf rund 15,5 Milliarden Euro gestiegen. Bei den Gewinnen zeichnete sich dagegen bereits eine Trendumkehr ab, der äußerst harte Wettbewerb forderte seinen Tribut.

Seite Mitte März 2020 jedoch stand das öffentliche und wirtschaftliche Leben weitgehend still, eine tiefe Rezession ist unausweichlich. Diese wird früher oder später auch die gewerbliche Immobilienfinanzierung erfassen. Die Bain-Prognose geht nun davon aus, dass die Erträge 2020 um 1,2 Milliarden Euro auf 13,7 Milliarden Euro sinken und 2021 nur leicht steigen. Der Profitpool fällt bereits in diesem Jahr mit 3,7 Milliarden Euro unter das Niveau des Jahres 2014. 2021 ist mit weiteren Einbußen zu rechnen.

Geschäftsfeld sichern, Marktanteile gewinnen

Die rückläufigen Erträge und Gewinne sollten jedes Institut veranlassen, die Strategie in dem unverändert margenträchtigen Geschäftsfeld auf den Prüfstand zu stellen und zu optimieren. Kurzfristig genießt natürlich das Krisen- und Risikomanagement Vorrang. Doch mittelfristig können Banken auch in einer Rezession mit einer optimierten Strategie ihre Wettbewerbsposition verbessern und sich einen Vorteil im Häuserkampf verschaffen.

Die Banken sind daher gut beraten, dieses Geschäftsfeld noch stärker zu sichern und sein Potenzial im eigenen Haus konsequent auszuschöpfen. Dies ist mithilfe von acht Stellhebeln möglich:

  1. Einsatz der kompletten Produktpalette
  2. Realisierung sämtlicher Cross-Selling-Potenziale
  3. Fokussierung des Vertriebs
  4. Gezielte Digitalisierung
  5. Geografische Diversifizierung
  6. Verstärkte Syndizierung
  7. Stringentes Risikomanagement
  8. Professionelles Recruiting und konsequente Mitarbeiterbindung

Im Verbund ermöglichen es diese Stellhebel den Banken, das Geschäft mit der gewerblichen Immobilienfinanzierung auf eine neue Stufe zu bringen. Zwar haben im aktuellen Umfeld Krisen- und Risikomanagement Vorrang. Doch optimieren Kreditinstitute parallel dazu ihre Strategie, können sie wichtige Weichen für die kommenden Jahre stellen.

Studie: Einnahmen der Banken werden 2020 um 20 Prozent sinken

Neues Jahrzehnt, neue Krise. Zu diesem Schluss kommt das „Retail Banking Radar 2020“ der globalen Unternehmensberatung Kearney. Die COVID-19-Pandemie drückt jede achte Bank in die Verlustzone. Und auch der Ertrag pro Kunden sinkt um 60 Prozent. Deutschland bleibt einer der herausforderndsten europäischen Märkte für Retail Banken.

Retail Banking Radar 2020

Seit 11 Jahren analysiert die globale Unternehmensberatung Kearney die Performance europäischer Filialbanken und deckt mögliche Stärken und Schwächen der Bankenszene auf. Für das aktuelle „Retail Banking Radar 2020“ wurden die Daten von fast 92 Privatkundenbanken und Bankengruppen in 22 europäischen Ländern – davon 50 Banken in Westeuropa und 42 Banken in Osteuropa – hinsichtlich der Kriterien Ertrag pro Kunden und Mitarbeiter, Gewinn pro Kunden, Cost-Income-Ratio und Kreditrisikovorsorgequote untersucht. Den Schwerpunkt legten die Analysten auf COVID-19 und die Auswirkungen auf die Gewinne der Geldinstitute. Ergebnis: Die Experten gehen davon aus, dass 2020 die Einnahmen der Banken um durchschnittlich 20 Prozent sinken werden. Diese ersten Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass sogar jede achte Bank in die Verlustzone rutschen wird. Und auch der Ertrag pro Kunden stürzt um 60 Prozent ab. Martin Eisenhut, Partner und Zentraleuropa-Chef von Kearney kommentiert: „Die Krise stellt die Banken vor große und bislang unbekannte Aufgaben: Mit der Stundung von Krediten und zinslosen Überziehungskrediten helfen sie Verbrauchern, die durch Corona finanziell ins Straucheln geraten sind. Doch zugleich sind die Banken selbst geschwächt, da sie unverändert hohe Betriebskosten bei sinkenden Einnahmen schultern müssen“.

Schwache Zahlen weist der Bericht auch in Sachen Konsum auf. Obwohl manche Sektoren, wie z.B. der Lebensmittelhandel, Streaming-Dienste oder der Online-Einzelhandel florieren, fahren die Konsumenten in anderen Bereichen ihre Ausgaben drastisch zurück und nehmen eine „abwartende“ Haltung ein. Diese neue Zurückhaltung trifft auch die Kreditvergabe. Eisenhut: „Angesichts der rückläufigen Anträge für neue Kredite oder Hypotheken ist mit einem Rückgang der Einnahmen um durchschnittlich 20 Prozent zu rechnen“. Die Experten von Kearney gehen in ihrem Basisszenario von einer teilweisen Erholung gegen Ende des Jahres aus. Sollte es nicht zu einer Eindämmung des Virus kommen, könnten die Erlöse auch um 35 bis 40 Prozent zurückgehen. Um diesen Abwärtstrend zu stoppen, bauen einige Institute ihre digitalen Dienstleistungen zur Unterstützung der Kunden weiter aus. So stellt z.B. die Lloyds Bank ihren älteren Kunden Tablets zur Verfügung. Die Analyse zeigt aber auch, dass durch solche zusätzlichen Ausgaben die durchschnittliche Kosten-Ertrags-Relation um durchschnittlich 80 Prozent steigen wird. „Wer sein Angebot nicht mit digitalen Dienstleistungen diversifiziert, hat nur wenig Chancen, die Krise zu überleben“, so Eisenhut. Daneben komme es mehr denn je auf Vertrauen an: „Die Banken können es sich nicht leisten, die Loyalität ihrer Kunden zu verlieren. Kunden aktiv in der Krise zu unterstützen, zahlt sich aus. Wer sie hängen lässt, wird abgestraft.“

In Deutschland könnte der ohnehin geringe Ertrag und Gewinn pro Kunden im Vergleich zu europäischen Banken weiter sinken. Der Ertrag pro Kunden könnte auf ein Allzeittief von 420 EUR fallen und die Kosten-Ertrags-Relation deutlich über 80 Prozent steigen. Deutschland bleibt einer der herausforderndsten europäischen Märkte für Retail Banken.

Über das „Retail Banking Radar“

Seit 2007 misst die Studie die Performance europäischer Retail Banken. Für die aktuelle Auswertung wurden die Daten von 92 Privatkundenbanken – 50 Banken in Westeuropa und 42 Banken in Osteuropa – in 22 Ländern untersucht. Die Daten stammen aus offiziellen Bankunterlagen von Januar 2007 bis Dezember 2019. Konkret untersucht wurden der Ertrag pro Kunden und Mitarbeiter, der Gewinn pro Kunden, die Cost-Income-Ratio und die Kreditrisikovorsorgequote.

Deutschlands Banken verbrennen im Firmenkundengeschäft Geld

Im ersten Halbjahr 2019 hat die Eigenkapitalrendite im Corporate-Banking mit rund 7 Prozent erstmals seit der Finanzkrise unter den Eigenkapitalkosten gelegen

  • Erträge stagnieren auf niedrigem Niveau, die Profitabilität fällt
  • Aggressive Expansionspläne vieler Institute setzen Kreditmargen weiter unter Druck
  • Banken wirken Margenverfall mit Ausweitung der Kreditvolumina entgegen
  • Investitionen lassen Verwaltungsaufwand steigen und belasten die Profitabilität zusätzlich

Der Verdrängungswettbewerb im Corporate-Banking in Deutschland nimmt bedrohliche Züge an. Erstmals seit der Finanzkrise ist es den Instituten im ersten Halbjahr 2019 nicht gelungen, ihre Eigenkapitalkosten von derzeit 7 bis 10 Prozent zu verdienen (Abbildung). Die Eigenkapitalrendite sank innerhalb von zwölf Monaten um 4 Prozentpunkte auf 7 Prozent. Die Entwicklung des Bain-Corporate-Banking-Index im ersten Halbjahr 2019 untermauert die angespannte Situation. Während die Erträge auf niedrigem Niveau verharren, gab die Profitabilität deutlich nach – so wie auch in den letzten fünf Jahren. „Viele Banken versuchen schon seit geraumer Zeit, ihre Marktposition im traditionell profitablen Firmenkundengeschäft aggressiv auszubauen und nehmen dafür immer niedrigere Margen in Kauf“, stellt Bain-Partner Dr. Christian Graf fest. „Nun ist die Branche an einem Punkt angekommen, an dem sie Geld zu verbrennen beginnt.“

Kreditvolumen auf Rekordhöhe, Kreditmarge nahe Tiefstständen

In jüngster Zeit sind die Banken bemüht, unter anderem mit einer Ausweitung der Kreditvolumina der rückläufigen Profitabilität entgegenzuwirken und ihren Zinsüberschuss zu stabilisieren. Im ersten Halbjahr 2019 stieg das Kreditvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 6 Prozent auf den historischen Rekordwert von 1,2 Billionen Euro. Zwischen 2013 und 2018 lag die durchschnittliche Wachstumsrate noch bei jährlich 3 Prozent. Insbesondere die Sparkassen und die privaten Kreditbanken bauen ihre Marktposition aus. Die Landesbanken hingegen verzeichnen leichte Marktanteilsverluste, auch bedingt durch die laufende Konsolidierung und Restrukturierung.

Trotz der wachsenden Volumina bewegt sich die Kreditmarge weiterhin nahe den historischen Tiefstständen des Jahres 2008. „Den Banken fällt es immer schwerer, Kundenbeziehungen nachhaltig profitabel zu gestalten“, erklärt Bain-Partner Dr. Jan-Alexander Huber. Dazu trage auch der Trend hin zu Plattformlösungen bei sowie die Automatisierung vieler Cross-Selling-Produkte wie Devisengeschäfte. „Für die Kreditinstitute wird es zunehmend wichtiger, sich auf ihre Wettbewerbsvorteile zu konzentrieren und mit Partnern zusammenzuarbeiten“, so Huber

Ein weiterer Grund für die rückläufige Profitabilität ist der zuletzt wieder deutlich gestiegene Verwaltungsaufwand. Die unumgänglichen Investitionen der Banken in die Digitalisierung, in ihre IT sowie in die Umsetzung neuer Regelwerke konterkarieren die positiven Effekte der laufenden Kostensenkungsprogramme.

Steigende Kreditrisikovorsorge belastet Profitabilität zusätzlich

Anders als in den vergangenen Jahren verspricht die Kreditrisikovorsorge keine Entlastung. Im Gegenteil: Von einem niedrigen Niveau aus stieg sie in den ersten sechs Monaten 2019 gemessen am Vorjahreswert um 17 Prozent. Die schwächere Konjunktur hinterlässt erste Spuren in den Büchern der Banken. „Die Risikovorsorge dürfte in den kommenden Quartalen weiter steigen und die Profitabilität zusätzlich belasten“, erwartet Bankenexperte Huber. Hinzu kämen höhere Aufwendungen durch die Umsetzung von Basel IV.

„Steigende Kosten bei rückläufigen Erträgen zwingen die Branche zu handeln“, sagt Bain-Partner Graf. „Jede Bank muss ihr Firmenkundengeschäft jetzt wetterfest machen.“ Vorreiter könnten gegen den Branchentrend schon heute ihre Erträge steigern. Ihr Erfolg beruhe unter anderem auf einer systematischen Vertriebssteuerung, einer klaren Produkt- und Kundenstrategie sowie dem konsequenten Einsatz neuer Technologien. „Corporate-Banking lässt sich in Deutschland nach wie vor ertragsstark und rentabel betreiben“, betont Graf. „Doch das wird nicht jedem Haus gelingen. Im Markt wird es zu einer noch stärkeren Differenzierung kommen, und Gewinnern mit nachhaltigen profitablen Geschäftsmodellen werden unrentable Verlierer gegenüberstehen.“

corp

Der Bain-Corporate-Banking-Index auf einen Blick

Der halbjährlich erhobene Bain-Corporate-Banking-Index basiert auf veröffentlichten Daten führender deutscher Banken. Das Panel deckt rund die Hälfte der Bilanzsumme der 100 größten in Deutschland tätigen Banken ab und konzentriert sich auf Finanzinstitute mit einem Schwerpunkt im Corporate-Banking und einer entsprechenden Segmentberichterstattung. Bei der erstmaligen Erstellung erfasste Bain für die Jahre 2007 bis 2012 zahlreiche Rohdaten jeder einzelnen Bank, darunter die Erträge (Zins- und Provisionsüberschuss), die Kostenstruktur (Verwaltungsaufwand), die Kreditrisikovorsorge, die Profitabilität (Ergebnis vor Steuern), das Eigenkapital und das Kreditvolumen. Die Wahl des Ausgangsjahrs 2007 ermöglicht Vergleiche zwischen dem letzten Jahr vor Ausbruch der globalen Finanzkrise und der aktuellen Situation.

Sämtliche Rohdaten untersuchen die Bain-Experten auf Einmaleffekte, die sich beispielsweise aus Übernahmen oder Änderungen im Reporting ergeben, und bereinigen die Datenreihen entsprechend. Danach erfolgt eine Aggregation der Daten pro Bank, bevor sie mit einem Gewicht von maximal 20 Prozent in den Gesamtindex einfließen. Diese Limitierung des Einflusses einzelner Banken stellt sicher, dass Sonderentwicklungen großer Finanzinstitute nicht den Index im Zeitverlauf verzerren. Vor Veröffentlichung werden die Daten Robustheitschecks anhand vorhandener Studien und weitergehender Analysen von Bain unterzogen und zum Teil um weitere Datenpunkte ergänzt.

Bain veröffentlicht den Corporate-Banking-Index in zwei Ausprägungen: den Bain-Corporate-Banking-Ertragsindex (CBE) und den Bain-Corporate-Banking-Profitabilitätsindex (CBP). Beide geben im Zeitverlauf einen hervorragenden Überblick über die Geschäftsentwicklung im Corporate-Banking und lassen sich als Benchmark für jedes einzelne Finanzinstitut nutzen.

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